Das lange Warten hat ein Ende! Endlich können wir unseren SPIKE™ Prime, den neuen Roboter aus dem Hause LEGO® Education, in den Händen halten. Seit dem 9. Januar 2020 ist der für die 5. bis 8. Klasse konzipierte Roboter nun offiziell erhältlich, nachdem die eigentlich für August 2019 geplante Veröffentlichung deutlich nach hinten verschoben worden war. Darum freuten wir uns umso mehr, als nun der Paketbote mit dem SPIKE™ vor der Tür stand.

In unserem Testbericht erfahrt ihr, ob der SPIKE™ Prime unserer Vorfreude gerecht wird. Als Bonus schauen wir uns darin neben dem Basis-Set 45678 auch noch das Ergänzungsset 45680 an.

Darum geht`s

Dieser Artikel ist ein sehr ausführlicher Test und darum in drei Teile gegliedert. Alle, die einen kurzen Überblick haben wollen, finden hier unseren Kurzbericht zum SPIKE™. Im ersten Teil (also in diesem Artikel) geben wir eine detaillierte Übersicht darüber, welche Hardware im SPIKE™ Prime Basis-Set und im Ergänzungsset enthalten ist. Der zweite Teil beschäftigt sich dann mit der SPIKE™ Prime-App und der Programmierung. Im abschließenden dritten Teil geht es um Einsatzmöglichkeiten des SPIKE™ Prime in der Schule (passend dazu bieten wir in diesem Jahr auch Kurse und Fortbildungen für Lehrkräfte an) und wir formulieren unser Gesamtfazit.

Nebenbei versuchen wir im Artikel Antworten zu finden auf Fragen, die ihr uns zum SPIKE™ Prime gestellt habt, wie: „Braucht man das Ergänzungsset zwingend?“, „Wie steht es nun um den EV3?“, „Wie wird der SPIKE™ Prime programmiert?“ oder „Eignet sich der SPIKE™ Prime für Wettbewerbe?“.

Die Zielgruppe

Der SPIKE™ Prime ist für die 5. bis 8. Klasse konzipiert und soll den seit 2013 erhältlichen EV3 nicht ablösen, sondern das Portfolio von LEGO® Education erweitern: Der WeDo 2.0 für die Grundschule, dann der SPIKE™ Prime bis Klasse 8 und ab Klasse 9 der EV3.

Aber fangen wir nun mit dem großen Test an: Bei jedem Test arbeiten wir uns von außen nach innen vor und darum geht es auch direkt los mit der SPIKE™ Prime Box und ihrem Inhalt.

Was ist in der Box?

Das Basis-Set kommt, wie für LEGO® Education üblich, in einer gelben Kunststoffbox daher. Dies ist gerade für Schulen ein Vorteil, da die sonst häufig üblichen Pappverpackungen im Schulalltag nicht lange überleben. Genau in eine solche Schachtel aus Pappe ist jedoch das Ergänzungsset verpackt, was uns etwas irritiert hat. Beim EV3 wird nämlich auch das Erweiterungsset in einer Kunststoffbox geliefert.

Die Box des SPIKE™ ist die gleiche wie die schwarze EV3-Box – nur eben in gelb. Damit ist sie größer als die blaue Box vom WeDo 2.0. Was die Anzahl der Steine angeht, positioniert sich der SPIKE™ in der Mitte zwischen WeDo 2.0 und EV3: 528 Bauteile sind laut LEGO® im Basis-Set enthalten – darunter drei Sensoren und drei Motoren sowie der SPIKE™ Prime Smart-Hub. Der ausgerufene Preis beträgt 389,13€.

Oben in der Box befindet sich ein Einsatz für kleinere Steine. Dieser ist, anders als beim EV3, in zwei Hälften unterteilt. Für beide Einsatzhälften liegt ein Stickerbogen bereit, auf dem die Teile der einzelnen Fächer abgebildet sind. Damit wird wie beim EV3 oder WeDo 2.0 angezeigt, welches Teil in welches Fach kommen soll. Die Aufkleber sollen so für Kinder das Sortieren erleichtern. Das hat unserer Meinung nach sowohl Vor- als auch Nachteile. Positiv ist die Aufteilung in Steine zum Bauen und Steine zum Dekorieren. Jedoch sind nicht alle Steine, die zum Bauen benötigt werden, in einer Einsatzhälfte . Außerdem wirken die zwei Hälften nicht so stabil wie der durchgehende Einsatz beim EV3.

Bunte Auswahl an Steinen

Schaut man sich die Steine des SPIKE™ Prime an, könnte man meinen, er wäre in einen Farbtopf gefallen: Ein gelber Roboter mit lilafarbenen Technikarmen und türkisblauen Motoren. Da sind die schwarz-weißen Sensoren fast schon die dezentesten Bauteile. Die Farbwahl hat aber sicherlich gute Gründe. Wie eingangs erwähnt, ist der SPIKE™ Prime für die 5. bis 8. Klasse konzipiert. Gerade für Kinder sind bunte Farben natürlich ein Hingucker (und vielleicht auch Kaufanreiz für Eltern und Lehrer?).

Was meint ihr zu der Farbwahl? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.

Neben den vielfältigeren Farben sind im Vergleich zum EV3 auch ein paar neue Steine dabei. Das Highlight stellt zweifelsfrei die große Technikplatte (11 mal 19 Noppen) dar. Auch neu sind die Busits.

Die Räder

Interessant sind auch die neuen Räder, welche wir schon von Beginn an für Wettbewerbe im Blick hatten. Sie sollen eine geringe Reibung haben – was durch die spitz zulaufende Form, die für eine sehr geringe Auflagefläche auf dem Untergrund sorgt, erreicht wird – und gleichzeitig einen guten Grip bieten. Im Basis-Set findet man vier dieser kleineren Räder mit einem Durchmesser von 55,5 mm. Anders als bei den Vorgänger-Robotern sind beim SPIKE™ Prime die Reifen mit der Felge fest verbunden. Auf diese Weise kann nichts abrutschen oder falsch aufgezogen werden. Gleichzeitig muss bei einem abgenutzten oder defekten Reifen auch gleich das ganze Rad ausgetauscht werden.

Die Motoren des SPIKE™ Prime

Dreh- und Angelpunkt eines Roboters sind die Motoren. Ohne sie könnte sich SPIKE™ nicht bewegen. LEGO® Educations neuestes Familienmitglied bringt gleich drei davon mit: zwei kleine, die jedoch bei LEGO® mittlere Motoren genannt werden, und einen großen Motor.

Das Drehmoment der kleinen Motoren liegt bei 3.5 Ncm und sie erreichen eine Drehgeschwindigkeit von 135 Umdrehungen/min. Der große Motor hat ein Drehmoment von 8 Ncm und erreicht eine Drehgeschwindigkeit von 175 Umdrehungen/min. Außerdem haben die neuen Motoren einen eingebauten Encoder, der die absolute Motorposition angibt.

Die Kabel, mit denen die Motoren am Smart-Hub angeschlossen werden, sind fest an den Motoren verbaut und haben eine Länge von 25cm. Sie sind dünner und daher deutlich flexibler als die alten Kabel beim EV3 oder NXT. Dadurch müssen sie nicht so stark geknickt werden, um sie an die gewünschte Position zu verlegen.  Die neuen Kabel-Clips dienen dazu, zu lange Kabel am Roboter zu befestigen. Durch die feste Länge der Kabel und die fehlende Möglichkeit zur Verlängerung (oder Verkürzung) stößt man beim Bau größerer Roboter allerdings irgendwann leider auf durch die Kabellänge festgelegte Grenzen.

Der Smart-Hub

Werfen wir nun einen detaillierteren Blick auf die elektrischen Komponenten des SPIKE™ Prime. Den Anfang macht der Smart-Hub. Der Hauptbaustein kommt in weiß und gelb daher. Laut brothers-brick.de hat LEGO® Education gelb gewählt, um den originalen RCX-Hub zu ehren. Der Smart-Hub ist 8,5 cm lang (11 Noppen), 5,5 cm breit ( 7 Noppen) und misst eine Höhe von 3,2 cm (4 Noppen). An der rechten und linken Seite befinden sich je drei IO-Ports – macht somit insgesamt sechs Anschlüsse für Motoren und Sensoren. Ähnlich wie beim WeDo 2.0 ist es auch beim SPIKE™ egal, ob ihr an einem Port einen Motor oder einen Sensor anschließt, solange im Programmcode später der richtige angesprochen wird.

Die Ports gleichen mechanisch denen des WeDo 2.0, der ja ebenfalls von LEGO® Education entwickelt wurde. Die ähneln aber auch denen im von LEGO® Home entwickelten Boost, denen des PowerdUp und des neuen Control+ von LEGO® Technic. Nutzbar werden die Ports aber wahrscheinlich nicht untereinander sein.

Was gibt es noch am Hub zu entdecken? Vorne befinden sich ein Lautsprecher, hinten eine Status-LED für den Akku und eine Micro-USB-Buchse, über die der SPIKE™ geladen wird. Wir hoffen, dass diese länger durchhält als die Mini-USB-Buchse des EV3, welche wir für mehrere unserer Kund*innen schon tauschen mussten. Immerhin sind die Durchschnittswerte für Steckzyklen doppelt so hoch, denn im Allgemeinen sollten Anschlüsse mit USB 2.0 Mini 5.000 Steckzyklen gewährleisten, während Anschlüsse mit USB2.0 Micro mindestens 10.000 Steckzyklen durchhalten. Ob dies für Roboter, die täglich in AGs oder bei Wettbewerben im Einsatz sind, ausreicht, wird die Zukunft zeigen.

Oben auf dem SPIKE™ Prime finden sich vier Tasten: Eine für die Bluetooth-Verbindung, zwei Pfeiltasten und eine Art Haupttaste in der Mitte, welche den Roboter ein- und ausschaltet und Aktionen bestätigt. Eingebaut in diese Mitteltaste ist eine RGB-LED, also eine LED, welche die Farben wechseln kann. Zur Auswahl im späteren Programm stehen hier sechs Farben: rot, gelb, grün, blau, weiß und lila. Daneben gibt es noch schwarz – aber das zählen wir nicht zu den Farben, denn es ist einfach nur die ausgeschaltete LED.

Höhepunkt ist die LED-MATRIX oben auf dem Smart-Hub. Mit ihr lassen sich eigene Symbole erschaffen; für die 5. – 8. Klasse können damit interessante Aufgaben durchgespielt werden, welche es vom Calliope bzw. MicroBit schon gibt.

Betriebssystem

Auf dem Smart-Hub läuft MicroPython Embedded OS. MicroPython haben wir euch für den EV3 bereits vorgestellt. Der SPIKE™ läuft jedoch selbst mit MicroPython, während der EV3 ein Linux-basiertes Betriebssystem besitzt. Wir gehen davon aus, dass LEGO® zukünftig auch für den SPIKE™ die Möglichkeit bieten wird, ihn in MicroPython zu programmieren.
Ein Vorteil von MicroPyton Embedded OS als Betriebssystem ist die Boot-Zeit: In unserem Test brauchte der SPIKE™ zum Hochfahren nur sechs Sekunden.

SPIKE™ unter Strom

Der SPIKE™ Prime braucht natürlich wie jeder Roboter Strom. Diesen liefert der im Basis-Set enthaltene Akku. Er besitzt eine Kapazität von 2100 mAh. Der Akku wird auf der Rückseite des Smart-Hub eingesetzt und mithilfe des beiliegenden USB-Kabels über den Smart-Hub aufgeladen. Ein USB-Ladegerät ist allerdings nicht mitgeliefert. Die Status-LED neben der USB-Buchse leuchtet rot, wenn der Akku geladen wird und grün, wenn er voll ist.

Der Akku ist unserer Meinung nach ein eindeutiger Makel des SPIKE™ Prime, denn er ist, anders als beim WeDo oder EV3, nicht durch Batterien ersetzbar. So gibt es z.B. während langer Sessions nicht die Möglichkeit, auf Batterien zu wechseln. Darüber hinaus ist der Akku auch nur durch den Hub aufladbar. Ist er leer, muss der SPIKE™ Prime also erstmal an die Steckdose. Eine Ladeschale gibt es nicht und einen weiteren SPIKE™-Hub als Ladestation umzufunktionieren, ist nicht zielführend. Wir hoffen, dass LEGO® hier noch nachbessert. Ein weiterer Punkt, den wir als störend empfinden ist, dass der SPIKE™ Prime sich nicht ausschalten lässt, während er auflädt.

Sensoren

Der SPIKE™ Prime bringt vier Sensoren mit: Kraftmesser, Ultraschallsensor, Farbsensor und Gyrosensor. Die Kabel sind wie bei den Motoren fest an den Sensoren verbaut.

Kraftmesser

Der Kraftmesser ist, wenn man so möchte, ein weiterentwickelter Berührungssensor. Er kann nicht nur wiedergeben, ob er gedrückt wurde, sondern auch wie stark. Dabei kann er Kräfte bis 10 N messen. Das entspricht einem Gewicht von 1 kg, das man auf den Sensor legen würde. Allerdings soll der Sensor eine Genauigkeit von nur 0,65 N haben, was für eher ungenaue Werte spricht. Eine Waage lässt sich damit also wohl nicht genau betreiben. Neben den vom EV3 bekannten Status „gedrückt“ und „losgelassen“ ist ein weiterer Status „hart gedrückt“ hinzugekommen. Dieser wird angezeigt, wenn die aufgewendete Kraft den Schwellenwert von 6 N überschreitet. Die Berührungserkennung findet statt, wenn der Sensor zwischen 0 und 2 mm eingedrückt wird, die Kraftmessung im Bereich von 2-8 mm.

Ultraschall

Der Ultraschallsensor zur Abstandsmessung hat eine kleine Besonderheit zu bieten: Er hat vier halbkreisförmige, weiß leuchtende LED-Segmente, die alle separat angesteuert werden können. Seine maximale Reichweite liegt bei zwei Metern.

Farbsensor

Der Farbsensor des SPIKE™ Prime kann acht Farben erkennen. Neben rot, grün, gelb, blau, schwarz und weiß auch das Blau der SPIKE™-Motoren und das Lila der Technikteile. Außerdem gibt es die Funktion, den Farbsensor als Lichtsensor zu nutzen. Dazu misst er die Intensität von reflektiertem weißem Licht oder von Umgebungslicht.

Gyrosensor

Diesen Sensor haben wir nicht etwa vergessen zu fotografieren – er ist im smarten Hub verbaut. Dies erleichtert ungemein das Anbringen sowie das Hinlegen auf einer geraden Fläche. Der Drehsensor ist zudem ein 6-Achsen-Gyroskop; man kann damit also die Drehung in x-, y- und z-Ebene messen. In der Fachsprache, die manche von euch von unseren Drohnen kennen, spricht man von „Rollen“, „Nicken“ und „Gieren“. Das Beste: Der Sensor zeigt in unserem Test keinerlei Anzeichen von Drifting-Problemen. Er funktioniert vergleichbar gut wie der Drehsensor in modernen Smartphones.

Sensoren von Dritten

Dass Drittanbieter eigene Sensoren für den SPIKE™ entwickeln, soll laut LEGO® Education eigentlich möglich sein. Zum Marktstart werden bisher jedoch keine angeboten, was wir schade finden.

Zubehör: Das Ergänzungsset

Das Erweiterungsset beinhaltet 603 LEGO®-Bausteine und ist aktuell für 117,81€ erhältlich. Neu hierbei: Im Vergleich zum Starterset sind vier größere Reifen und Zahnradkränze vorhanden. Die großen Reifen sind mit 87,6 cm Durchmesser größer als die für den EV3 häufig genutzten alten Motorrad-Reifen, die nur einen Durchmesser von 81,6 cm haben. In der Bildergalerie unten findet ihr ein Foto mit einem neuen großen Reifen im Vergleich mit einem alten Motorrad-Reifen und eins im Vergleich mit einem kleinen Reifen aus dem SPIKE™-Basis-Set. Der Aufbau der großen Reifen ist genauso wie bei den kleineren Reifen im SPIKE™ Prime Basis-Set. Außerdem kommen mit dem Ergänzungsset ein großer Motor und ein Farbsensor hinzu. Wie schon eingangs erwähnt, kommt dieses Set ohne Kunststoffbox daher. Für diejenigen unter euch, die sich eine Kunststoffbox wünschen, gibt es jedoch Abhilfe: LEGO® Education hat die kleinen Boxen vom WeDo 2.0 und die schwarzen Boxen vom EV3 nun auch als Leerboxen ins Sortiment aufgenommen. Die gelbe Box des SPIKE™ Prime gibt es so jedoch (bisher) leider nicht zu kaufen.

Nun habt ihr schon einmal einen Einblick in die Hardware des Spike™ Prime bekommen. Im zweiten Teil unseres Tests beschäftigen wir uns dann mit der Software und der Programmierung des Sets.

Autor*innen: Felix Krawczyk, Meike Volkmer, Sarah Fleuren, Vera Straetmanns

Quellen: LEGO® Education, The Brothers Brick