LEGO® hat ein neues Mindstorms® Roboter Set (51515) für August 2020 angekündigt und ja es soll den EV3 ablösen – allerdings auch nicht so richtig, denn für Schulen wird der EV3 anscheinend die Speerspitze der LEGO® Mindstorms® Roboter bleiben … Aber der Reihe nach.
Der neue Roboter soll im August 2020 mit einer UVP von 359,99 € auf den Markt kommen. Das Set heißt LEGO® Mindstorms® Roboter-Erfinder und wird als „5 in 1“-Set bezeichnet. Es beinhaltet 949 Teile, was in der LEGO® Roboter-Welt wirklich viele sind – verglichen mit dem EV3 ca. 60% mehr.
Viele, viele bunte Steine
Nur zum Vergleich: Der EV3 (31313) kommt mit 601 Teilen daher und auch der Education EV3 (45544) hat mit 541 Teilen deutlich weniger. Nur das Ergänzungsset des MINDSTORMS® Education EV3 (45560) kommt mit 853 Teilen in die Nähe des neuen Modells. Auch der jüngste Vertreter aus dem Hause LEGO® Education, der im Januar vorgestellte SPIKE™ Prime (45678), übertrifft mit 523 Steinen nur, wenn wir sein Erweiterungsset (45680) mit 603 Steinen dazuzählen.
Die Steine sind nicht nur sehr zahlreich, sondern auch recht groß, wie auf den Promo-Bildern zu sehen ist. Außerdem beinhaltet das Set große Technikplatten und Rahmen sowie große Paneele in der Box. Das Farbspektrum des LEGO® Mindstorms® Roboter-Erfinder 5 in 1 Sets besteht aus dunklem Türkis mit schwarz und weiß sowie ein paar lila Akzenten.
Einer von fünf
Mit den Teilen des „LEGO® Mindstorms® Roboter-Erfinder 5 in1 Set“ kann man fünf verschiedene Modelle bauen. Der humanoide „Blast“ ist das eigentliche Hauptmodell des Sets und ungefähr 36 cm groß. Die vier weiteren Modelle heißen Tricky, Charlie, m.v.p. und Gelo. Dabei sollte aber auch klar sein, dass man die fünf Modelle nur nacheinander zu Gesicht bekommt, denn spätestens beim nur einfach vorhandenen Smart-Hub, dem Haupt-Programmierstein, wird klar, dass die Steine nur für ein Modell gleichzeitig ausreichen.
Elektrische Komponenten
Dass LEGO® mit über 900 Teilen sehr viele Steine ins Set gepackt hat, ist schön; wer einen Roboter baut, legt aber besonders großen Wert auf die paar elektrischen Komponenten, denn diese machen den Roboter ja erst „lebendig“. LEGO® packt jedoch nur sieben elektrische Komponenten in das Set: Neben dem „Gehirn“ des Roboters, dem Smart-Hub, finden sich vier mittelgroße Motoren und zwei Sensoren – außerdem natürlich der Akku sowie ein USB-Kabel.
Wer den SPIKE™ Prime kennt, dem wird der Smart-Hub des neuen Mindstorms-Sets sehr bekannt vorkommen. An der rechten und linken Seite befinden sich je drei IO-Ports – macht somit insgesamt sechs Anschlüsse für Motoren und Sensoren. Ähnlich wie beim SPIKE™ ist es auch hier egal, ob ihr an einem Port einen Motor oder einen Sensor anschließt, solange im Programmcode später der richtige angesprochen wird.
Die Ports gleichen mechanisch denen des Boost, genauer gesagt denen des Powered Up oder des neuen Control+ von LEGO® Technic. Ob die Motoren der Sets untereinander getauscht werden können, wissen wir leider noch nicht.
Vorne am Hub befinden sich ein Lautsprecher, hinten eine Status-LED für den Akku und eine Micro-USB-Buchse, über die der Hub geladen wird. Oben auf dem Hub gibt es vier Tasten: Eine für die Bluetooth-Verbindung, zwei Pfeiltasten und eine Art Haupttaste in der Mitte, welche den Roboter ein- und ausschaltet und Aktionen bestätigt. Eingebaut in diese Mitteltaste ist eine RGB-LED.
Höhepunkt ist die LED-Matrix oben auf dem Smart-Hub. Mit ihr lassen sich eigene Symbole erschaffen; jedoch vermissen wir das echte Display. Ein weiterer Nachteil ist der geringere Speicher des Hubs. Außerdem kann der Hub nicht mehr wie beim EV3 über eine Micro-SD-Karte erweitert werden.
Auf dem Smart-Hub läuft MicroPython Embedded OS. MicroPython haben wir euch für den EV3 bereits vorgestellt. Der Roboter Erfinder selbst läuft jedoch mit MicroPython, während der EV3 ein Linux-basiertes Betriebssystem besitzt.
Motoren und Sensoren
Das neue Roboter-Set beinhaltet vier mittlere Motoren. Sollten es die gleichen Motoren wie beim SPIKE™ Prime sein, liegt das Drehmoment bei 3.5 Ncm und sie erreichen eine Drehgeschwindigkeit von 135 Umdrehungen/min. Dies sollte für die meisten Aufgaben ausreichen, ist aber kein Vergleich zu den großen EV3 Motoren. Spannend finden wir es trotzdem, einen Motor mehr zu haben als beim EV3. Damit lassen sich Roboter wie das Gelo-Modell realisieren, die mit vier Motoren angetrieben werden.
Neben den Motoren sind zwei Sensoren im Set: ein Ultraschall-Sensor und ein Farbsensor. Der Kraftmesser ist leider nicht mehr im Set und der Gyrosensor ist nun im Smart-Hub verbaut.
Die App
Die Software kommt uns vom SPIKE™ Prime bekannt vor. Wir finden es sehr gut, dass LEGO® und LEGO® Education den Schritt gehen und es nativ erlauben, den Roboter nun sowohl visuell in Scratch als auch textuell in Python zu programmieren. Was wir in den LEGO® Education-Varianten der Roboter nie finden aber traditionell bei der LEGO® Variante immer dabei war, ist eine Fernsteuerung. Diese ist im neuen Set nun auch in der Software hinzugekommen.
Vergleich zum Spike Prime
Eigentlich wissen wir noch viel mehr über das neue Set, denn allem Anschein nach basiert es eigentlich auf dem SPIKE™ Prime von LEGO® Education. Im Prinzip befindet sich im neuen Mindstorms®-Set die gleiche Hardware wie im SPIKE™ Prime. Wenn wir die elektrischen Komponenten der beiden Sets vergleichen, stellt man fest, dass der große Motor und der Drucksensor des Spikes im „5 in 1 Set“ nicht enthalten sind. Im Gegenzug bekommt man hier zwei mittlere Motoren mehr. Das war es dann im Großen und Ganzen aber auch schon mit den Unterschieden. Kurzgesagt ist der SPIKE™ bis auf die Farbwahl und die Fokussierung auf den Bildungssektor die gleiche Hardware. Alle Details zur Hardware des neuen Roboter-Erfinder Sets findet ihr also eigentlich in unserem Spike Prime Test.
Wie ihr in diesem Test lesen könnt, sind wir im Bildungsbereich auch sehr angetan von seinen Möglichkeiten. Wir haben den SPIKE™ bereits in mehreren Lehrerfortbildungen eingesetzt und auch einige der Roboter-AGs, die wir an Schulen betreuen, haben den SPIKE™ Prime mit sehr guten Erfahrungen im Einsatz. Sein Einsatzbereich erstreckt sich aber maximal bis Klasse 8. Danach sind die Funktionen des EV3s wertvoller und nötiger für den Einsatz in Wettbewerben wie der WRO.
Warum der Name Verwirrung stiftet
LEGO® verkauft nun den SPIKE™ mit ein paar kleinen Änderungen in Farbe und Form an Privatkunden und gibt dem Set die Marke Mindstorms®. Das führt zu Verwirrung und weckt falsche Hoffnungen: Viele Quellen berichten nun von einem Nachfolger des EV3. Das neue Set ist aber eigentlich kein Mindstorms®, denn es ersetzt eben nicht den EV3. Dieser ist aus der Sicht von LEGO® Education keineswegs weg vom Fenster, sondern wird immer noch als das Flaggschiffmodell angesehen. Das merkt man auch daran, dass LEGO® Education die Software für den EV3 aktuell neu entwickelt. Betrachtet man die Funktionen nüchtern, bietet der EV3 immer noch mehr und bessere Funktionen als sowohl das hier besprochene neue Mindstorms® Set als auch der SPIKE™.
Allerdings sind die sieben Jahre seit Erscheinen des EV3 natürlich nicht spurlos an diesem Roboter und seinen Komponenten vorüber gegangen. Grade darum wünschen wir uns eigentlich einen neuen Mindstorms®, also einen EV4 oder wie wir ihn nennen wollen.
Spaßmachen und funktionieren wird das Roboter-Erfinder-Set trotzdem und zweifelsohne. Denn auch der SPIKE™ Prime ist in der richtigen Zielgruppe ein sehr guter Roboter.
Nicht für die Schule
Nur Schulen sind keine Zielgruppe. Diese sollten sich lieber mit dem altbewährten und bald mit einer neuen Software auftrumpfenden EV3 oder dem im Januar erschienen SPIKE™ Prime beschäftigen.
Der SPIKE™ Prime kostet aktuell im LEGO Shop sogar nur 40€ mehr als das neue „5 in 1 Set“ und wird im Handel sogar teilweise für 349€ angeboten, liegt damit im gleichen Budget wie der neue Mindstorms®. Darüber hinaus hat der SPIKE™ Prime eine Aufbewahrungsbox, die in Schulen Gold wert ist, wenn es um das sinnvolle Verstauen der Komponenten geht.
Wir raten Schulen daher dringend, sich vor dem Kauf über diese Unterschiede zu informieren. Gerne beraten wir Bildungseinrichtungen auch zu diesem Themenkomplex – alle Kontaktmöglichkeiten findet ihr hier.
Fazit
Das neue Roboter-Set macht einen guten Eindruck. Viele Teile und interessante Modelle machen Lust auf mehr. Leider wird der Name Mindstorms® seinen Vorgängern aus unserer Sicht nicht gerecht. Es bleibt ein Beigeschmack, denn die eigentliche Hoffnung auf einen würdigen EV3-Nachfolger wird mit diesem Set nicht erfüllt und es ist ungewiss, ob etwas in dieser Richtung in den nächsten Jahren von LEGO® Education überhaupt kommen wird.
Update
Auch wenn es bei Erscheinen des Artikels noch nicht so aussah – mittlerweile hat der SPIKE™ Prime den EV3 doch abgelöst. Wir haben aus diesem Anlass auf dem Blog sowohl einen Artikel zum Vergleich der beiden Roboter veröffentlicht als auch ein FAQ, in dem wir in Kurzform noch einmal die wichtigsten Fragen beantworten.
Hallo Felix,
unser Sohn (9 J.) möchte sich den EV3 zulegen. Da das Produkt eingestellt wird, habe ich Bedenken, dass die Software nicht mehr aktualisiert wird und das teure Gerät irgendwann nicht mehr nutzbar sein wird. Würdest Du für den Einstieg dann eher den 51515 empfehlen?
Hallo Grit,
danke für deinen Kommentar. Eine Empfehlung für ein noch nicht erschienenes Produkt ist schwierig zu geben.
Zuerst sei gesagt, dass der EV3 für Schulen (45544) wohl noch länger gepflegt wird. Auch eine neue Software wird gerade von LEGO programmiert, welche ähnlich der alten Software ist.
Dennoch denken wir, dass, auf lange Sicht gesehen, das neue System mehr Sinn ergibt. Aktuell würden wir, gerade im Alter von 9 Jahren, den Spike Prime (45678) empfehlen. Den haben wir erfolgreich bei Grundschul-AGs im Einsatz. Das neue Set (51515) ist auf der gleichen Hardware-Basis wie der Spike Prime, welcher jedoch gelb ist.
Wie gut sich das Set (51515) für Zuhause eignet und wie es das Spielen mit dem Lernen verbindet, können wir erst nach einem Test sagen.
Kurzgesagt wir glauben aber, dass es keine falsche Idee ist auf das neue Set zu warten oder sich den Spike Prime anzuschauen. Je nachdem ob eher die Wartezeit oder die Farbe das ausschlaggebende Kriterium ist.
Viele Grüße
Felix
Was genau funktioniert denn mit dem neuen System nicht, was mit dem EV3 ging? Wer Roboter baut, ist doch mit dem neuen System in keinster Weise eingeschränkt. Den einzigen Nachteil sehe ich darin, dass es im Moment noch wenige Sensoren von Drittanbietern gibt, das sollte sich aber in Zukunft ändern. War ja beim NXT/EV3 zu Beginn auch nicht anders.