In diesem Blogbeitrag beschreiben wir von brickobotik einen Baustein aus unserem Portfolio zur digitalen Bildung mit Drohnen. Im Text sind Referenzen auf wissenschaftliche Publikationen hinterlegt, die für alle von Interesse sind, die weitergehende Informationen wünschen.
Schon seit längerer Zeit und spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie wird in Deutschland viel über die digitale Bildung diskutiert. Mit im Diskussionstopf befinden sich zudem Begriffe wie „digitale Schulen“ und „digitaler Unterricht“ sowie die Frage, wie das alles zusammenpassen soll. Nachdem das Land NRW das Pflichtfach Informatik für alle Schulformen beschlossen hat, hat sich die Diskussion noch weiter intensiviert. Dass jetzt etwas getan werden muss, wird immer mehr Menschen klar und ist inzwischen deutlicher denn je. Was die Lage aber verkompliziert, ist, dass unter der digitalen Bildung scheinbar fast jede*r etwas anderes versteht. Wie unsere Schulen aussehen, wie der Unterricht der Zukunft gestaltet und wie Lehrer*innen in Zukunft ausgebildet werden sollen, ist nicht ganz so klar und einfach, wie es auf den ersten Blick den Anschein macht.
Digitale Bildung
Oft werden digitale Bausteine beziehungsweise Hilfsmittel als Allheilmittel gesehen. Hier ein Laptop, da ein iPad und noch ein Smartboard an die Wand im eigentlich viel zu schlecht ausgestatteten „Computerraum“ und die Schule soll fit für das digitale Zeitalter sein. Dass das nicht stimmen kann, ist bei vielen Fördermaßnahmen und auch in vielen Köpfen noch nicht angekommen. Noch immer liegt der Fokus zu sehr auf der Hardware. Diese ist nicht unwichtig, keine Frage, und die Auswahl geeigneter digitaler Tools ist sicherlich nicht einfach, aber die Ausbildung und Weiterbildung von Lehrer*innen darf dabei nicht vernachlässigt werden. Die mangelnde Medienkompetenz ausschließlich Schüler*innen zuzuschreiben, greift deutlich zu kurz. Auch Lehrende müssen in dieser Richtung befähigt werden, damit ein kompetentes Handeln im Medienzusammenhang möglich ist.
Das Modell medienpädagogischer Kompetenz von Sigrid Blömeke (2001) grenzt beispielsweise fünf Kompetenzbereiche ab:
- die eigene Medienkompetenz,
- die sozialisationsbezogene Kompetenz im Medienzusammenhang (= wie Schüler*innen Medien verwenden),
- die mediendidaktische Kompetenz,
- die medienerzieherische Kompetenz und
- die Schulentwicklungskompetenz im Medienzusammenhang.
Mit Blick auf die heutige Digitalisierung wird dieses Modell zum Beispiel durch den europäischen Rahmen für die digitale Kompetenz von Lehrenden, kurz DigCompEdu (Digital Competence of Educators) (Redecker & Punie 2017), erweitert.
Auch Lehrende abholen
Zahlreiche Studien haben allerdings gezeigt, dass es auf mehr als den Einsatz von digitalen Medien und Kompetenzmodellen ankommt. Die Einstellungen, Werthaltungen und Selbstwirksamkeitsüberzeugung von Lehrer*innen sind entscheidend für den Erfolg von digitalen Medien im Unterricht (Knezek & Christensen 2016; Prasse 2012). Für unser Veranstaltungskonzept ist das enorm wichtig. Schüler*innen abzuholen und zu motivieren, ist mit Technik oft recht einfach. Geeignete Tools bereitzustellen, die auch Lehrer*innen überzeugen, erfordert Fingerspitzengefühl und viele Stunden Erfahrung auf unserer Seite.
Wenn es um Zukunftskompetenzen geht, ist oft von den „Vier Cs“ die Rede: (1) Communication, (2) Critical Thinking, (3) Creativity und (4) Collaboration. Das SINUS-Institut hat eine Studie für die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung durchgeführt und diese bekannten „Vier Cs“ durch zwei weitere ergänzt: (5) Charisma und (6) Coolness. Bevor diese beiden Wörter als Jugendsprache oder Blödsinn abgetan werden: Charisma bedeutet, dass Ideen gut vorgetragen und vermittelt werden können und unter Coolness wird verstanden, dass jemand in stressigen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt und auf seine Gesundheit achtet. Das macht deutlich, wie wichtig diese Begriffe beziehungsweise Eigenschaften sind.
Drohnen als digitales Lernobjekt
Häufig kommen Mikrocontroller oder Robotik-Sets in Schulen zum Einsatz, zum Beispiel der Calliope mini oder der LEGO® Mindstorms® EV3, um nur jeweils einen Vertreter der beiden Kategorien zu nennen. Beides sind Möglichkeiten, die gut funktionieren, erprobt sind und eine starke Anziehung auf Kinder und Jugendliche haben. Wir nutzen diese Werkzeuge ebenfalls sehr gerne. (Darauf, dass der Begriff des „Werkzeugs“ nicht ganz korrekt ist, geht das Video am Ende dieses Beitrags ein.) Unserer Erfahrung nach sind diese Angebote schnell erlernbar, gut in den Unterricht zu integrieren und auch bei Lehrer*innen durchaus beliebt. Etwas erfahrenere Schüler*innen können damit aber nicht immer abgeholt werden und manchmal muss es einfach auch mal etwas Neues sein.
Ein Nachteil von Mikrocontrollern und Robotern ist, dass sie zweidimensional auf einer Ebene ausgedehnt sind bzw. sich fortbewegen. Für viele Lehrbeispiele reicht das selbstverständlich aus, ebenso wie für die Einführung von Konzepten der Informatik. Wer allerdings diese zwei Dimensionen verlassen möchte, muss sich etwas anderes überlegen.
Education-Drohnen
Ganz neu im Programm sind Drohnen. Nicht als technische Errungenschaft, denn eingesetzt werden sie schon länger. Die Nutzung im Unterricht hingegen ist relativ neu. Diese kleinen und flinken Akrobaten der Lüfte begeistern neuerdings Jung und Alt. Für den Einsatz in Schulen, aber auch bei Messen oder anderen Events, eignen sich sogenannte „Education-Drohnen“. Sie sind besonders geeignet für den Einsatz im Bildungskontext. Diese Drohnen zeichnet aus, dass sie sehr leicht, wendig, klein und über bestimmte Apps ansteuerbar sind. Letzteres geschieht entweder im Flugmodus, indem via Smartphone, Tablet oder Laptop Flugbefehle übermittelt werden oder durch das Erstellen eines Programms innerhalb dieser Anwendungen. Diese Programmierung ist in der Regel ebenfalls mit Smartphone, Tablet oder Laptop möglich.
Drohnen bieten einen entscheidenden Unterschied zu Robotern und Mikrocontrollern (mit Motoren): Sie fliegen und bewegen sich im dreidimensionalen Raum. Was sich wie eine triviale Beobachtung anhört, ist im Bildungskontext eine Bereicherung. Plötzlich müssen sich Schüler*innen damit auseinandersetzen, dass es nicht nur ein links/rechts und vorwärts/rückwärts gibt, sondern zusätzlich ein oben/unten. Die Anforderung, von einer Koordinate zur nächsten zu kommen, muss jetzt anders gelöst werden als bei der Navigation in einer Ebene. Das Problem kann zwar ebenso wie bei Robotern angegangen werden, indem die Drohne beispielsweise erst kurz nach vorne, dann nach oben und dann wieder nach vorne gesteuert wird. In einer Lehrsituation merken Schüler*innen allerdings schnell, dass diejenigen einen Vorteil haben, die dreidimensional denken und ihre Drohne so steuern. Mit geeigneten Anwendungen, an denen brickobotik für den bildungsorientierten Einsatz gerade zusätzlich arbeitet, können weitere Möglichkeiten in den Unterricht integriert werden, zum Beispiel zu den Themengebieten Mathematik und künstliche Intelligenz.
Drohnen im Unterricht oder beim Team-Event
Bei brickobotik setzen wir die Tello Edu Drohne von DJI ein und zwar sowohl in Schul-AGs und im Unterricht als auch bei anderen Veranstaltungen, wie zum Beispiel dem Startertag in der DASA oder Team-Events von Unternehmen. Wir haben zuvor auch einige andere Drohnen getestet, fanden die Tello Edu Drohne am besten. Das liegt vor allem an den Programmiermöglichkeiten über visuelle und textbasierte Programmiersprachen. Andere Drohnen, wie zum Beispiel die Parrot Mambo, sind etwas flinker im Flugmodus und reagieren besser – die Ansteuerung über selbstgeschriebene Programme war allerdings nicht ganz auf dem Niveau der DJI Tello Edu. Zudem hat die Tello einen stabileren Flug, was sehr von Vorteil ist, wenn die Drohne programmiert werden soll und wenn Kinder und Jugendliche damit arbeiten.
Education-Drohnen in der Praxis
Auf der folgenden Abbildung ist die Begleitanwendung der Tello Edu auf einem Tablet (wir nutzen in unseren Workshops und Fortbildungen immer iPads) zu sehen. Die Einführung für Schüler*innen ist in der App sehr gut gelöst. Über kleine Tutorials können Basisfunktionen erlernt werden, sodass die erste Drohne schnell abhebt und wieder landet. Weitere Funktionen werden in Windeseile anhand von Aufgaben erlernt, die in unseren Workshops Stück für Stück erklärt werden und im Schwierigkeitsgrad ansteigen.
Damit das Handling der Drohnen gut funktioniert, gibt es in unseren Veranstaltungen erst einen kleinen Theorieteil. Dabei erarbeiten wir gemeinsam mit den Schülern*innen die Funktionsweise der unbemannten Flugobjekte, erschließen mögliche Einsatzgebiete und diskutieren auch problematische Anwendungsfälle wie Überwachungseinsätze. Ein besonderes Highlight der Präsentation ist immer wieder das Video einer chinesischen Drohnenschwarm-Flugshow.
Eine beliebte Aufgabe im Verlauf des Workshops ist der vorprogrammierte Flug durch einen Parcours. Das Ganze endet regelmäßig im „Angriff auf die Schwimmnudeln“. Dabei müssen sich die Teilnehmenden einer Veranstaltung darüber Gedanken machen, wie die Drohne (a) ohne Kollision an allen Hindernissen vorbeikommt und (b), wie das am schnellsten vonstattengehen kann. Denn welches Team am schnellsten fehlerfrei durch den Parcours fliegt, gewinnt am Ende einen Preis. Wie die nachfolgenden Bilder zeigen, nutzen wir häufig Hula-Hoop-Reifen und Schwimmnudeln als Hindernisse. Gerade bei den Schwimmnudeln ist die Gefahr die Drohnen zu beschädigen am geringsten.
Die Programmierung ist dabei so einfach, dass jede*r eine Drohne bedienen und programmieren kann. Eine kurze Einführung reicht und es kann losgehen. Die iPad-App unterstützt den Flugmodus sowie einen Modus zum freien Programmieren über eine blockbasierte Programmiersprache, wie die nachfolgenden zwei Abbildungen zeigen.
Und der Mehrwert?
Beim Einsatz von digitalen Medien wird schnell das Totschlagargument schlechthin ausgepackt: der Mehrwert. Ohne diesen scheint ein digitales Medium nicht nützlich zu sein. Digitale Medien sind jedoch vollkommen neue Medien, da sie tatsächlich anders „ticken“ und anderen „Naturgesetzen“ unterliegen als die analogen Medien. Um einen Mehrwert benennen zu können, müssen vergleichbare Bedingungen geschaffen werden, was schwierig bis unmöglich ist, weil beide Medienwelten ganz unterschiedlich funktionieren. Die Pinguin-Medienmetapher, beziehungsweise das entsprechende Video dazu, erläutert diesen Sachverhalt sehr gut.
Statt die analoge und digitale Welt ständig miteinander zu vergleichen, was wie beschrieben schwierig ist, sollte die digitale Welt lieber erkundet werden: ausprobieren, was damit möglich ist, was anders und was vielleicht gleich ist. Digitale Medien eröffnen neue Lernräume und Lernchancen, weil Inhalte anders vermittelt werden können und anhand anderer Beispiele und Objekte darstellbar sind. Diese Möglichkeiten sollten wir nutzen.
Autor*innen: Sarah Dopichei, Dr. Fabian Deitelhoff